Methode Multimediales Stadterkundungsprojekt

Aus dem Projekt vom Kinder- und Jugendtreff Hillerheide

Ein Stadterkundungsprojekt kann für die Jugendlichen sehr hilfreich sein, um sich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden und sich mit dieser vertraut zu machen.

Durch den multimedialen Ansatz erfolgen die Annäherung und das Kennenlernen des Stadtteils auf eine kreative Weise, die den Jugendlichen die Möglichkeit bietet, auf verschiedensten Wegen ihre Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Zudem können sich die Teilnehmenden durch unterschiedliche Aufgaben, basierend auf ihren jeweiligen Fähigkeiten, im Projekt einbringen und ihre Stärken werden gefördert. Sie haben die Möglichkeit, auf spielerische Art und Weise neue Technologien kennenzulernen und ihre Fertigkeiten zu erweitern. Medien spielen in der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen eine sehr große Rolle. Es bietet ein riesiges Potenzial für die persönliche Entwicklung, Medien selbst zu produzieren und Inhalte selbstständig redaktionell zu entwickeln.

Info: In einem multimedialen Projekt erarbeiten die Teilnehmenden ein Thema. Anstatt den Fokus dabei auf ein einziges Medium zu legen, können die thematischen Inhalte über diverse Medien, z. B. Text, Fotografie, Audio und Video, erstellt und verarbeitet werden.

Projektziele

Die Teilnehmenden sollen sich mit der Stadt und insbesondere mit dem Ortsteil, in dem sie nun leben, beschäftigen, ihn kennenlernen und beschreiben. Dadurch machen sie sich mit ihrer neuen Umgebung vertraut und werden darüber hinaus dazu ermutigt, sich aktiv in die Stadtgesellschaft einzubringen. Das wiederum vermittelt ihnen die Grundzüge von Beteiligung – etwas, was viele aus ihren Herkunftsländern nur sehr wenig oder gar nicht kennen. Diesen partizipatorischen Ansatz über die Arbeit mit Medien zu verbinden, holt Jugendliche in ihrer Lebenswelt ab und erweitert durch die Nutzung unterschiedlichster Technologien ihre Perspektiven und Fähigkeiten jenseits des Smartphones.

Besondere Hinweise zur Arbeit mit Jugendlichen mit Fluchterfahrung
Generell ist bei jedem Projekt mit Geflüchteten zu berücksichtigen, dass sich die Teilnehmenden selbst oder deren Familienmitglieder immer wieder in Extremsituationen befinden. Viele tragen traumatische Erfahrungen und Erinnerungen in sich. Es kann immer wieder zu Vorfällen kommen, die durch die Fachkräfte schwer einzuschätzen sind. Daraus können punktuell massive Stimmungsschwankungen entstehen, die es zu lesen und aufzufangen gilt. Zusätzlich ist stets zu berücksichtigen, dass es Sprachbarrieren geben kann. Man sollte also versuchen, genau und präzise zu sprechen, das jeweilige Sprachniveau der Teilnehmenden zu berücksichtigen und mit Hilfsmitteln – wie Piktogrammen, Bildern oder Übersetzungsapps – zu arbeiten.

Wie lässt sich das Projekt auf individuelle Bedarfe, Fähigkeiten und Kenntnisse der Gruppenteilnehmenden anpassen?
Man sollte sich vor Planung und Durchführung des Projekts intensiv mit der Zielgruppe auseinandersetzen. Hierbei gilt es zu verstehen, aus welchen Ländern/Regionen die möglichen Teilnehmenden stammen und unter welchen Umständen sie nach Deutschland gekommen sind. Wenn es die Ressourcen zulassen, ist es sinnvoll, Fachkräfte/Ehrenamtliche dabeizuhaben, deren Familien ebenfalls eine Migrationsgeschichte haben und die ggf. sogar mehrsprachig aufgestellt sind.
Wichtig ist es auch, sich Zeit zu nehmen, um herauszufinden, welche Fähigkeiten bereits vorhanden sind. Da in multimedialen Projekten mit verschiedensten Medien gleichzeitig gearbeitet wird, bieten sie den Vorteil, dass alle Teilnehmenden sich gemäß ihren Fähigkeiten, Kenntnisse und Vorlieben das Medium aussuchen können, mit dem sie gerne das Projekt umsetzen möchten.

Organisatorische Infos

Zeitplanung
Grundsätzlich sollten ca. ein bis zwei Tage für die Vorbereitung eingeplant werden. Zum einen, um die Technik auf ihre Funktionstüchtigkeit zu testen. Zum anderen, um mit den Teilnehmenden das Projekt zu besprechen und sich gemeinsam auf Themenschwerpunkte, Ziele und die zu verwendenden Medien – Teilprojekte – zu einigen. Die Vorbereitungszeit hängt jedoch auch von der Gruppe bzw. den Fähigkeiten, Ideen und Erfahrungen der Teilnehmenden ab.


Die Durchführung nimmt mit Abstand den größten Raum des Projekts ein. Bei jedem Treffen der Gruppe wird Zeit für eine gemeinsame Reflexion eingeräumt, in der der aktuelle Stand besprochen wird.


Den Jugendlichen wird die Möglichkeit gegeben, das Projekt selbstständig weiterzuentwickeln und immer wieder neue Ideen einzubringen. Um diese Entwicklung nicht zu stören, sollte man so wenig zeitliche und organisatorische Vorgaben wie möglich machen und stattdessen flexibel agieren. Ein Austausch unter den Fachkräften ist zusätzlich zu empfehlen. Oftmals kann es bei jungen Geflüchteten zu spontanen Reaktionen kommen, die noch mit der Flucht, der Vertreibung und/oder dem Krieg zu tun haben. In dem Fall muss man sehr aufmerksam und sensibel arbeiten. Eine regelmäßige Reflexion ist unerlässlich.
Abhängig davon, auf welche Teilprojekte und entsprechenden Endprodukte (Film, Fotobuch, Podcast, Onlinegame etc.) man sich in der Vorbereitung geeinigt hat, kann die Durchführung mehrere Tage oder sogar Wochen in Anspruch nehmen. Man kann das Projekt aber auch über mehrere Monate laufen lassen, je nachdem, was genau im Stadtteil dokumentiert werden soll.
Die Nachbereitung kann an einem Tag stattfinden. Alle Teilnehmenden sollten zusammenkommen, sich gemeinsam die Ergebnisse anschauen und das Projekt reflektieren.

Empfohlene Teilnehmendenzahl und Betreuungsschlüssel
Generell ist die Methode hinsichtlich der Teilnehmendenzahl nicht begrenzt. Es ist zu empfehlen, ein Kernteam aus bis zu fünf Personen zu haben, die regelmäßig teilnehmen und das Projekt von Anfang an begleiten. Es können aber auch spontan weitere Jugendliche hinzukommen und ebenfalls einen Teil zum Endergebnis beitragen. Empfehlenswert ist mindestens eine hauptverantwortlicher Mitarbeiter*in, um eine Beständigkeit innerhalb des Projekts zu erreichen. Zusätzlich sollte eine unterstützende Kraft zur Verfügung stehen.

Räumliche Voraussetzungen
Wichtig ist ein Raum, der eine gewisse Gemütlichkeit bietet. Hier können sich die Teilnehmenden wohlfühlen, entspannen und somit der Hektik und Lautstärke der Einrichtung entfliehen. Je nach Aktionen und Teilprojekten werden weitere Räume benötigt, in denen z. B. ein Schnittplatz eingerichtet oder an der Fertigstellung der medialen Produkte gearbeitet werden kann.

Folgende Technik wird benötigt:
Je nachdem, für welche Teilprojekte man sich entscheidet, werden folgende Dinge benötigt:

  • Laptops / PCs / Tablets
  • Smartphones
  • Mikrofone
  • Film- und Fotokameras
  • Lichtequipment
  • Fotodrucker/Selfiedrucker
  • kostenfreie Software / Apps, wie z. B. Book Creator, iMovie, inShot, CapCut, Audacity

Folgendes Material wird benötigt:

  • Whiteboard
  • Flipchart
  • Stifte
  • Plakate
  • Papier

Durchführung der Methode

Tipp: Bevor das Projekt startet, muss die Technik getestet werden. Außerdem sollte für den Einstieg des Projekts für eine angenehme Atmosphäre gesorgt werden, z. B. mit Getränken, Snacks und einem aufgeräumten Raum. Benötigtes Material sollte griffbereit zur Verfügung stehen.

Einstieg
Zum Einstieg informiert / informieren die Fachkraft/die Fachkräfte in kurzen Sätzen über das Projekt. Dadurch ergeben sich im Idealfall ein intensives Gespräch und ein reger Austausch, sodass Neugier und Interesse geweckt werden. Dann folgt ein erster gemeinsamer Spaziergang durch den Stadtteil, bei dem nach interessanten Orten und Treffpunkten für Jugendliche gesucht wird (z. B. Sportplatz). Am nächsten Tag wird mit der Gruppe ein grobes Zeitraster für den Projektablauf erstellt und überlegt, welche Medien benutzt werden und welche medialen Endprodukte entstehen sollen.

Durchführung
Für die Durchführung der Methode sind Zuverlässigkeit sowie regelmäßige Teilnahme der Jugendlichen sehr wichtig. Die Jugendlichen müssen von Beginn an spüren, dass es ihr gemeinsames Projekt ist. Dies erreicht man u. a. damit, dass sie das Projekt aktiv mitgestalten dürfen.
Zum Start eines jeden Treffens gibt es eine kurze Runde, in der jede Person ihre aktuelle Befindlichkeit beschreiben darf, falls gewünscht. Nach dem folgenden Rückblick auf das letzte Treffen wird gemeinsam der anstehende Tag geplant. Daraus ergeben sich die Ziele und Aufgaben, allerdings immer mit Blick auf den erstellten Zeitplan aus der Vorbereitung. Am Ende eines jeden Tages wird der aktuelle Stand besprochen, außerdem werden die Ziele, Aufgaben und der Termin für das nächste Treffen geplant und vereinbart. Während der Projektphase arbeiten die Jugendlichen entweder einzeln oder in Kleingruppen an den unterschiedlichen Teilprojekten.
Wenn alle Aufnahmen fertig sind – Foto, Video, Audio –, erfolgt die Nachbereitung. Die Aufnahmen werden selektiert, zusammengeführt und bearbeitet, bis alle mit den jeweiligen Endprodukten zufrieden sind. Ggf. müssen die Endprodukte dann noch in Produktion gegeben werden, z. B. wenn ein Fotobuch erstellt wurde oder externe Honorarkräfte für Schnitt und Finalisierung engagiert werden.

Empfohlener Abschluss
Als Abschluss für das Projekt sollte eine Abschlussveranstaltung geplant werden, die einige Tage nach dem letzten Projekttag stattfindet. Im Rahmen dieser Veranstaltung werden die endgültigen Ergebnisse der Teilprojekte vorgestellt. Hierbei ist es wichtig, die unterschiedlichen Rollen der Teilnehmenden in dem Projekt hervorzuheben. Im Vorfeld kann gemeinsam mit der Gruppe überlegt werden, ob die Veranstaltung nur für die Projektteilnehmenden sein soll oder ob auch externe Besucher*innen eingeladen werden. Findet ein größeres Event statt, können die Jugendlichen ihre Werke Freunden und Verwandten präsentieren.

Persönliches Fazit Björn Schmidt-Freistühler
Einrichtungsleitung Kinder- und Jugendtreff Hillerheide
Bisher sind wir von unserem Projekt und dem Ablauf überzeugt. Immer wieder merken wir, wie sehr Jugendliche davon profitieren. Durch die Informationen, die sie sich über ihren Stadtteil erarbeiten, können ihnen die Grundzüge von Beteiligung und Partizipation nähergebracht werden, und sie werden ermutigt, sich aktiv in die Stadtgesellschaft einzubringen. Das Erlernen solcher partizipatorischer Ansätze hat nach unseren Erfahrungen eine überragende Bedeutung für eine erfolgreiche Integration.